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Best Practices des nachhaltigen Innovationsmanagement – das Rad nicht neu erfinden

Nachhaltigkeit und Innovation

Die stärksten Wirkungen in Sachen ökologischer, sozialer und ethische Nachhaltigkeit lassen sich am besten erzielen, wenn schon bei der Entwicklung neuer Produkte, Services und Geschäftsmodelle die möglichen Konsequenzen auf die Umwelt und die Gesellschaft vorgedacht werden. Aus gesellschaftlicher Sicht ist es somit zweifellos sehr sinnvoll, wenn Unternehmen ihr Innovationsmanagement so aufbauen, dass bei Neuentwicklungen bereits spätere Nachhaltigkeitseffekte umfassend in Betracht gezogen werden. Damit Unternehmen ihre Ansätze und Prozesse entsprechend gestalten, gibt es zwei prinzipielle Möglichkeiten: Zum einen staatliche Vergaben, die bestimmte Aktivitäten oder Aktivitätskorridore definieren; zum anderen, dass Unternehmen in der Entwicklung von neuen nachhaltigen Produkten, Geschäftsmodellen etc. eine ökonomische Chance sehen und hierdurch kommerziell motiviert werden.

Vorgehensweisen und Instrumente um erfolgreich zu sein, müssen nicht neu erfunden werden. Das Institut für Management und Innovation (IMI) recherchiert und analysiert im Rahmen einer durch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität des Landes Rheinland-Pfalz geförderten Studie „Best Practices“ des nachhaltigen Innovationsmanagements. Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht in dieser Untersuchung die ökologische Nachhaltigkeit. Beispiele zu neuen Produkten, Services, Geschäftsmodellen, die u.a. Circular Economy, Erreichung von Net Zero, nachhaltige Wertketten und ähnliche Ziele berücksichtigen, werden dokumentiert.

Zur Strukturierung der Best Practices werden die „klassischen Elemente“ des Innovationsmanagements genutzt, diese werden im nächsten Abschnitt kurz skizziert. Auf dieser Basis wird dann zum einen dargelegt, welche neue Aspekte durch die zusätzliche Dimension Nachhaltigkeit beim Innovationsmanagement zu beachten sind. Zum andern werden beispielhaft Best Practices erläutert, die die bisherigen Ansätze des Innovationsmanagements erweitern. Abschließend wird ein zentraler Aspekt diskutiert, den es zu beachten gilt: Die Beachtung der Nachhaltigkeitsanforderungen ist nicht per se mit einer besseren Rentabilität verbunden – im Gegenteil, es ist davon auszugehen, dass zusätzliche Aufwände entstehen, denen nicht unbedingt höhere Erträge entgegenstehen. Wie aber etliche Best-Practices zeigen, können durchaus bei einem planvollen Vorgehen nachhaltige Innovationen mit einer Erhöhung der Rentabilität verbunden sein.

Zentrale Grundlagen des Innovationsmanagements

Zentrale Aspekte des Innovationsmanagement sind in den letzten zwei oder drei Jahrzehnten grundlegend erforscht und stetig verfeinert worden. Zunächst einmal kann man festhalten, dass Innovationen sicherlich nach verschiedenen Kriterien kategorisiert werden – eine für unsere Zwecke hilfreiche und durchaus gängige Einteilung ist die folgende: Neben der Neuentwicklung von Produkten und Dienstleistungen gibt es auch Innovationen im Bereich der Unternehmensprozesse. Gerade im Kontext der Nachhaltigkeitsthematik ist es wichtig, diese Prozesse nicht nur auf interne Abläufe zu begrenzen, sondern letztlich die gesamte Wertkette zu berücksichtigen. Werden nicht nur Produkte/Services oder Wertkette innoviert, sondern auch das Leistungsangebot, die Wertschöpfung sowie das Erlösmodell, spricht man von Geschäftsmodellinnovationen. Betritt ein Unternehmen neue Geschäftsfelder, so kann man das als Geschäftsfeldinnovation auffassen.

Abbildung 1:Innovationsarten

Um Innovationen erfolgreich zu initiieren und umzusetzen, sind letztlich alle Managementelemente mehr oder weniger angesprochen. Innovationsziele, Strategien, die Generierung von Ideen für ein Portfolio von Innovationsprojekten und das Management einzelner Projekte bilden innerhalb der Managementaufgaben Planung, Steuerung und Kontrolle die zentralen Elemente. Damit diese Aktivitäten erfolgreich verlaufen, sind adäquate organisatorische Strukturen und Prozesse sowie eine entsprechende Innovationskultur und geeignetes Führungsverhalten notwendig. Für all diese Elemente des Innovationsmanagements gibt es vielfältige und sehr bewährte Ansätze, Methoden und Instrumente, mit deren Hilfe Innovationen effektiv und effizient initiiert und entwickelt werden können. Die Palette reicht hier von speziellen strategischen Ansätzen über klar definierte Stage-Gate-Prozesse und agilen Projektmanagementansätzen bis hin zu passgenauen Instrumenten des Innovationscontrollings. Die Elemente des Innovationsmanagements sind in der Abb. 2 verdeutlicht (vgl. Völker, Friesenhahn, 2018).

Abbildung 2: Innovationsmanagement & -controlling

Notwendige Erweiterung durch Nachhaltigkeitsziele und Orientierung an Best Practices

Neben ökonomischen Zielen sind in den letzten Jahren bei Unternehmen klare Nachhaltigkeitsziele zu beachten. Hier gibt es zum einen externe Vorgaben wie Gesetze und Regulierungen, die zusätzliche Anforderungen an ein Unternehmen und in unserem Kontext an das Innovationsmanagement stellen. Neben den extern gegebenen Zielen können sich Unternehmen darüber hinaus selbst Nachhaltigkeitsziele setzen. Dies kann zum Beispiel aus einer rein ethischen Verantwortung gegenüber der Umwelt beziehungsweise der Gesellschaft heraus geschehen oder natürlich auch, um mit attraktiven Produktangeboten zusätzliche Rentabilität zu erzielen. Einige wesentliche Erweiterungen zum Aufbau eines nachhaltigen Innovationsmanagements sind in der folgenden Abbildung skizziert:

Abbildung 3: Innovationsmanagement ergänzt um Nachhaltigkeitsaspekte

Zunächst einmal ist es festzuhalten, dass eine Ergänzung des zuvor genannten „Baukastens“ um Ziele, Methoden, Instrumente und organisatorische Regelungen, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, sinnvoll beziehungsweise notwendig ist. Zunächst ist es wichtig, Nachhaltigkeitsziele schon auf den „oberen“ Ebenen – bei der Vision, der Mission oder der Strategie, zu verankern. Der Kreis der Innovationspartner hat sich erweitert: Zu beobachten ist, dass Unternehmen sehr zielgerichtet im Rahmen von Open Innovation Ansätzen nicht nur bezüglich ihrer Kernaktivitäten mit externen Instituten und Hochschulen zusammenarbeiten, sondern auch mit Einrichtungen, die mit den Unternehmen zusammen ressourcenschonende Wertketten oder CO2-neutrale Lösungen konzipieren. Im Bereich der Ideengenerierung finden sich Unternehmen, die bekannte Vorgehensweisen zur Entwicklung von Geschäftsmodellen um Werkzeuge erweitert haben, die es ihnen gestatten, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Modelle zu generieren. Etliche Firmen haben zum Beispiel dabei sehr erfolgreiche „Circular Economy“ Konzepte entwickelt. Nicht zuletzt muss ökologische (und auch soziale) Nachhaltigkeit in irgendeiner Form gemessen werden. Entsprechende KPIs und Controllinginstrumente sind aufzubauen. Wie unsere empirischen Ergebnisse zeigen, gibt es oft Lösungen, die nicht nur in einer bestimmten Branche, sondern branchenübergreifend eingesetzt werden können.

Für jedes der Elemente des Innovationsmanagements wurden und werden inzwischen erfolgreiche beziehungsweise erfolgversprechende Beispiele hervorgebracht. Selbstverständlich macht eine einzelne Methode oder ein bestimmtes Instrument nicht unbedingt den Unterschied, sondern es ist oft ein Zusammenspiel. Hier ein Beispiel: Ein Unternehmen aus der Branche Mess- und Regeltechnik hat klare Zielsetzungen für ökologisch nachhaltiges Agieren. Auf dieser Basis gilt es dann strategische Leitlinien für neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Auf Portfolioebene werden entsprechend solche Projektideen generiert, allerdings ergibt sich nicht notgedrungen (vgl. den folgenden Abschnitt), dass jede auch im Hinblick auf Rentabilität sinnvoll sein muss. Insofern müssen bei den Unternehmen jeweils jene Projekte ausgewählt werden, bei denen Rentabilität und die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen in einem adäquaten Verhältnis stehen. Für die Ideen, die ausgewählt wurden, gilt es nun, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den Anforderungen einer Kreislaufwirtschaft und der gewünschten Langlebigkeit entsprechen. Somit muss bei dem Hersteller über Plattformtechnologien und einem entsprechenden modularem Aufbau dafür Sorge getragen werden, dass Verschleißteile möglichst einfach ersetzt werden können. Gleichzeitig werden dem Kunden neue Servicepakete angeboten, um eben diese Austausche und Reparaturen zu ermöglichen. Diese Serviceleistungen sind auch insofern von Bedeutung, weil sie dem Hersteller helfen, entgangene Umsätze – in Form von weniger Verkäufen von Produkten (!) – zu kompensieren.

Best Practices sind nicht nur eine Sache von Großunternehmen. Auch Mittelständler gehen hier zum Teil mit sehr überzeugenden Beispielen voran. So gibt es zum Beispiel KMU, die mit Hilfe des Frameworks der Elemente des nachhaltigen Innovationsmanagements (siehe Abb. 2 beziehungsweise 3) sehr dezidiert ein nachhaltiges Innovationsmanagement aufgebaut haben. Von den nachhaltigen Zielen über ein nachhaltiges Produktportfolio bis hin zu Aspekten der Kultur und Führung wurde und wird dort permanent die Transformation zum nachhaltigen Innovationsmanagement geschaffen.

Für die Erfassung von Erfolgsbeispielen in einer Datenbank lassen sich verschiedene Kriterien skizzieren: beispielsweise Unternehmen/Branche, Innovationsart, Best Practice Methode/Verfahren/usw., Erfolgsfaktoren der Umsetzung sowie Einschätzung Rentabilität vs. Nachhaltigkeit. Die Best Practices sollen in webbasierter Form Unternehmen zugänglich gemacht werden. Wie generell bei Best Practice Dokumentationen geht es darum, dass Unternehmen nicht jeweils das Rad neu erfinden müssen, sondern sehr gezielt auf inzwischen schon bewährte und etablierte Ansätze, Methoden oder Instrumente zurückgreifen können.

Rentabilität versus Nachhaltigkeit

Der Themenkreis „Rentabilität und Nachhaltigkeit“ ist in der Literatur ein aktueller und zentraler Aspekt (vgl. Cerciello et al. 2023). Da die Einteilung von „mehr“ Nachhaltigkeit in einer Marktwirtschaft mit Privateigentum häufig ein Kostenfaktor ist, geht es also darum, im Zweifel nicht nur Nachhaltigkeitsvorschriften zu erfüllen. Idealer Weise gilt es, Nachhaltigkeit als Chance zu sehen, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Die nachfolgende Abbildung soll das kurz verdeutlichen: Gesetzliche Vorgaben bedeuten in den allermeisten Fällen zunächst für Unternehmen einen Mehraufwand, der zu erfüllen ist.

Abbildung 4: Rentabilität und Nachhaltigkeit

Je nachdem, wie man die Nachhaltigkeitsforderung dann umsetzt, landet man entweder in dem Quadranten links unten oder – wenn man die Umsetzung wirtschaftlicher gestaltet als der Wettbewerb – auch im linken oberen Quadranten. Es gibt nicht wenige Unternehmen, die aus sehr ehrbaren Gründen Extrameilen gehen, also über Vorschriften hinaus höhere Standards setzen (z.B. bei Arbeitsverhältnissen in ausländischen Produktionsstätten oder bei CO2-Einsparungen). In vielen Fällen treiben dies Eigentümer oder Geschäftsführer voran. In hart umkämpften Märkten ist dieser Weg allerdings sicher nicht für viele Unternehmen geeignet. Produkte, Dienstleistung oder ganze Geschäftsmodelle mit Nachhaltigkeitsfeatures zu versehen, die nachweislich oder deutlich über gesetzliche Vorschriften hinausgehen, macht aus ökonomischer Sicht erst dann Sinn, wenn dadurch über kurz oder lang auch tendenziell eine höhere Rentabilität zu erwarten ist. Die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen kann auch als ökonomische Chance begriffen werden. Wichtig ist, diesen Aspekt klar zu erfassen und sorgfältig zu planen. So gibt es z.B. Unternehmen, die sehr präzise über Conjoint-Analysen die Zahlungsbereitschaft für Nachhaltigkeitsfeatures erfragen, und somit zielgerichtete Angebote zu schaffen, die für die Umwelt Entlastung und gleichzeitig mehr Rendite erzielen.

Zitierte Quellen:

Cerciello, M., Busato, F., & Taddeo, S. (2023). The effect of sustainable business practices on profitability. Accounting for strategic disclosure. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 30(2), 802–819. https://doi.org/10.1002/csr.2389

Völker, R., & Friesenhahn, A. (2018). Innovationsmanagement 4.0: Grundlagen – Einsatzfelder – Entwicklungstrends (1. Auflage). Stuttgart : Verlag W. Kohlhammer.

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