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Inklusion am Arbeitsplatz

Wie die Beschäftigungssituation von Menschen mit Schwerbehinderung – insbesondere im Mittelstand – in Rheinland-Pfalz verbessert werden kann.

Bildquelle: Adobe Firefly

Das Projekt

Um die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung positiv zu beeinflussen, gibt es zahlreiche gesetzliche Regelungen. So sind Betriebe ab einer jahresdurchschnittlichen Größe von 20 bis 39 Mitarbeitenden nach § 154 SGB IX gesetzlich verpflichtet, mindestens eine Person mit einer Schwerbehinderung zu beschäftigen. Ab einer Größe von 40 bis 59 Mitarbeitenden steigt die Verpflichtung auf zwei Menschen mit Schwerbehinderung. Ab 60 Beschäftigten müssen fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Menschen mit Schwerbehinderung oder anderen anrechnungsfähigen Personen besetzt sein. Dass die Herausforderung damit jedoch nicht zu lösen ist, zeigt sich unter anderem darin, dass bundesweit etwa ein Viertel aller Pflichtarbeitsplätze – in Summe über 300.000 Stellen – im Jahr 2021 nicht besetzt wurden. Insgesamt geht man von ca. 45.000 Unternehmen aus, die unter die Beschäftigungspflicht fallen, aber keine schwerbehinderte Beschäftigte haben (vgl. Hensen, Trögeler 2023, 8; Aktion Mensch 2023, 8).

Andererseits führen bestimmte Entwicklungen und Trends dazu, dass Unternehmen ein gesteigertes Interesse entwickeln, Menschen mit Behinderung qualifizierte Arbeitsplätze zu bieten. Darunter fällt zum Beispiel der auch für den Mittelstand immer wichtiger werdende Nachweis von sozialen Verbesserungen im Rahmen der ESG-Performance, auch wegen der durch die forcierten Steigerungen der Reporting-Anforderungen (vgl. zum Beispiel die Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD). Ein anderer Punkt ist die in vielen Branchen und Regionen schwierige Fachkräftegewinnung, die mit verbesserter Barrierefreiheit und generell stärkerer Ausrichtung auch auf Menschen mit Behinderung unterstützt werden kann (vgl. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung 2020, 46).

Vor diesem Hintergrund soll erforscht werden, wie über bestehende Instrumente hinaus die Inklusion von Menschen mit Behinderung in Arbeit gefördert und dabei gegebenenfalls auch neue Wege beschritten werden können. Ein Beispiel sind Projekte, die direkt auf Betriebe zugehen und anhand verschiedener Angebote dafür sorgen, dass Unternehmen ihre Inklusionskompetenz erhöhen und mehr Möglichkeiten für inklusive Beschäftigung schaffen (siehe zum Beispiel Innoklusio) (vgl. Dialogue Social Enterprise GmbH, 2023).

Vorgehen und Ziele

Um neue Vorhaben und Instrumente zur Förderung inklusiver Arbeit fundiert entwickeln zu können, sind belastbare Informationen zur aktuellen Situation erforderlich, insbesondere in Bezug auf mittelständischen Betriebe. Aktuell sind entsprechende Daten und Informationen, insbesondere quantitativer Art, eher spärlich. Dies gilt insbesondere, wenn es um spezifische Fragestellungen geht, die nicht durch bestehende Datenquellen wie zum Beispiel die amtliche Statistik, abgedeckt werden. Generell kann konstatiert werden, dass es an zahlenbasierten Analysen fehlt.

Ziel des Projekts ist deshalb, eine aktuelle Wissensbasis zur Inklusion am Arbeitsplatz bei Unternehmen in Rheinland-Pfalz zu erschaffen. Da insbesondere im Mittelstand ungenutzte Potenziale liegen, liegt ein Fokus auf der Untersuchung von Unternehmen dieser Größenklasse. Folgende Forschungsschritte sind geplant:

  1. Analyse des bisherigen Wissensstands anhand von Publikationen aus Wissenschaft und Praxis
  2. Exploration bei Expertinnen und Experten
  3. Standardisierte Datenerhebung bei Unternehmen
  4. Analyse der Ergebnisse und Ableitung von Schlussfolgerungen
  5. Veröffentlichung zentraler Ergebnisse.

Zu Schritt 2) Exploration bei Expertinnen und Experten:

Im Zeitraum von Ende August bis Ende September 2024 fanden sechs Gespräche mit insgesamt acht Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik statt. Das Ziel war es, das Erfahrungswissen ausgewählter Akteurinnen und Akteure im Feld der inklusiven Arbeit aus verschiedenen institutionellen Bereichen zu nutzen, um aktuelle und praxisnahe Hintergrundinformationen zu erhalten, die über das Wissen aus der Literaturbetrachtung hinausgehen. So sollte ein tiefergehender Einblick zum Stand der inklusiven Arbeit bei den mittelständischen Unternehmen in Rheinland-Pfalz gewonnen werden.

Bei der Auswahl der Interviewpartnerinnen und -partner sowie der jeweiligen Institutionen wurde von Seiten des Forschungsteams darauf geachtet, dass relevante unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden. Die Auswahl der Expertinnen und Experten ist in der folgenden Tabelle dargestellt.

KategorieFunktion/Organisation
WirtschaftInklusionsbeauftragter eines Konzerns
Vertretung von Menschen mit BehinderungenGeschäftsführung einer Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen
Politik/Öffentliche Verwaltung bzw. EinrichtungVertreterin Landespolitik Rheinland-Pfalz
Politik/Öffentliche Verwaltung bzw. EinrichtungLeitung einer Beratungsstelle für berufliche Wiedereingliederung
WirtschaftZwei Ansprechpersonen einer IHK in RLP
Politik/Öffentliche Verwaltung bzw. EinrichtungZwei Ansprechpersonen einer Kreisverwaltung in RLP
Überblick Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner (anonymisiert)

Anhand der Interviews konnte eine Reihe unterschiedlicher Aspekte herausgearbeitet werden, die nach Meinung der Gesprächspartner die Inklusion am Arbeitsplatz maßgeblich beeinflussen und praktische Stellhebel für Verbesserungen darstellen. Exemplarisch seien hier fünf Erkenntnisse zusammengefasst, die neben anderen Aspekten bei der Gestaltung der im nächsten Arbeitsschritt folgenden Unternehmensumfrage Berücksichtigung finden:

Die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt wird durch die Existenz segregierender Strukturen sowie eine unzureichende Abstimmung zwischen Qualifizierungsmaßnahmen und Anforderungen des Arbeitsmarktes erheblich erschwert. Um eine direkte Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt zu fördern, sind daher frühzeitige und strategische Maßnahmen erforderlich.

Die Barrierefreiheit hat in Büroberufen sowie für Menschen mit körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigungen deutliche Fortschritte verzeichnet, während entsprechende Lösungen für handwerkliche Berufe weiterhin weitgehend fehlen. Besonders herausfordernd gestaltet sich die Umsetzung von Barrierefreiheit für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, da die Hürden oft individueller Natur sind und weniger klar definiert werden können.

Die Beschaffung von Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten und Beratungsangeboten stellt sowohl für Unternehmen als auch für Menschen mit Behinderungen eine Herausforderung dar, da die vorhandenen Informationen oft unübersichtlich und schwer zugänglich sind. Hinzu kommt, dass komplexe und bürokratische Antragsverfahren insbesondere kleinen Unternehmen den Zugang zu Fördermitteln erschweren. Um diese Barrieren zu überwinden, sind eine stärkere Vernetzung sowie die Einrichtung zentraler Anlaufstellen erforderlich.

Ungeachtet des akuten Fachkräftemangels schöpfen zahlreiche Unternehmen das Potenzial von Menschen mit Behinderungen nicht aus. Eine Neuausrichtung des Fokus auf die spezifischen Kompetenzen und Fähigkeiten dieser Personengruppe anstelle einer Fixierung auf vermeintliche Defizite könnte Unternehmen den Zugang zu einem wertvollen Mitarbeiterpool eröffnen.

Viele Unternehmen hegen weiterhin Vorurteile und Unsicherheiten gegenüber der Einstellung von Menschen mit Behinderungen, insbesondere im Hinblick auf den besonderen Kündigungsschutz. Vor allem kleine und mittelständische Betriebe fehlt es zudem an Ressourcen und Expertise für inklusive Beschäftigung.

Zitierte Quellen:

Aktion Mensch (2023): Inklusionsbarometer Arbeit, Aktion Mensch / Handelsblatt Research Institute, 11. Jahrgang.

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. – DGUV (2020): Umfrage Inklusion in anderen Ländern – International vergleichende Studie zur Barrierefreiheit in Unternehmen, 2020.

Dialogue Social Enterprise GmbH (2023): Über Innoklusio, URL: http://www.dialogue-se.com/de/innoklusio.

Hensen., J., Trögeler, P. (2023): Inklusion am Arbeitsplatz stärken, IW-Report 49/2023, Institut der deutschen Wirtschaft.

Förderung


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